Qualitätssicherung im Bierbrauprozess, mikrobiologische Überwachung von Kläranlagen und Unterstützung von Biotherapeutika- und Probiotikaherstellung: Die seit 1997 in der industriellen Mikrobiologie tätige vermicon AG dockt ab März 2022 mit biotechnologischer Expertise und weitreichenden Zukunftsplänen in Hallbergmoos an. In einem Interview erklärt der Vorstandsvorsitzende Dr. Jiri Snaidr, was ihn zum Umzug bewegt hat.

Dr. Snaidr, Sie sind mit Hauptanschrift und Labor (noch) in der Münchner Emmy-Noether-Straße gemeldet. Handelt es sich mit Ihrem Einzug im Munich Airport Business Park um eine weitere Betriebsstätte?
Keineswegs! Wir sind vom Standort durch und durch überzeugt. Daher verlagern wir unseren Hauptsitz nach Hallbergmoos. Also All-In!
Wann ziehen Sie denn um?
Wir möchten am 1. März 2022 in unsere neuen Räume einziehen. Das werden wir zwar nicht wie der Münchner Flughafen damals an einem Wochenende schaffen. Aber aufgrund des damit verbundenen Arbeitsausfalls möchten wir den Umzug in wenigen Tagen erledigen.
Und wie viel Fläche beziehen Sie in Hallbergmoos?
Wir haben im Skygate eine Fläche von knapp 800 Quadratmetern angemietet. So haben unsere knapp 20 Mitarbeiter genügend Platz, um ihre Arbeit auch in der Corona-Pandemie vor Ort gut erledigen zu können.
Was hat vermicon bewegt, sich in Hallbergmoos anzusiedeln?
Wir fanden den Gedanken von Anfang an reizvoll, dass unmittelbar in der Nähe des Münchner Flughafens ein Biotechnologiestandort Nord aufgebaut wird. Die vermicon AG ist ein „Kind des Nordens“: seit der Gründung im Jahr 1997 sind wir immer im Münchner Norden angesiedelt gewesen.
War also nur die Himmelsrichtung ausschlaggebend?
Nein, natürlich nicht. Die ausgezeichnete infrastrukturelle Anbindung des Standorts Hallbergmoos ist ein wichtiger Faktor gewesen. Aber auch die Tatsache, dass die lokale Politik den Aufbau eines Biotechnologiestandortes unterstützt, hat uns überzeugt. Zusätzlich haben wir mit den Vermietern des Skygate, der Rock Capital Group, einen Partner gefunden, der von Anfang an höchst professionell war und die Bedürfnisse eines Biotechnologieunternehmens nicht nur versteht, sondern auch die Kompetenz besitzt, diese zu verwirklichen.
Hat der Flughafen bei der Entscheidung auch eine Rolle gespielt?
Die vermicon AG arbeitet mit Unternehmen aus der ganzen Welt zusammen. Hierbei werden uns nicht nur Proben zugesandt oder unsere Produkte in die Welt verfrachtet. Es findet immer ein kontinuierlicher Austausch mit unseren Kunden statt. Natürlich hat Corona-Pandemie die Flugreisen erschwert. Wir hoffen aber, dass wir die engen Verbindungen zu unseren Kunden bald wieder persönlich pflegen können.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Keine Videokonferenz der Welt kann den direkten persönlichen Austausch, ein ehrliches Nicken und den Händedruck ersetzen. Auch hinter Computern agieren immer Menschen mit Menschen. Vertrauen ist die Grundlage jeglicher Beziehung. Wenn wir versuchen diese zu „digitalisieren“ und zu „entmenschlichen“, dann wird nicht nur der globale Handel einen erheblichen Schaden nehmen, sondern wir werden zu digitalen Playern im wahrsten und negativen Sinne des Wortes.
In Hallbergmoos haben sich jüngst einige Unternehmen aus dem Life Science- und Biotechnologiebereich angesiedelt. Wie wichtig wird der Ort Ihrer Meinung nach als Biotechnologie-Standort?
Ich bin der festen Überzeugung, dass hier ein neuer Biotechnologiestandort Nord heranwächst. Hallbergmoos könnte eine perfekte Ergänzung zu Martinsried werden. Es soll nur keine Konkurrenz entstehen. Beide Standorte haben das Potenzial sich hervorragend zu ergänzen und gemeinsam den herausragenden Ruf Bayerns auf dem Gebiet der Biotechnologie zu festigen.
Ergeben sich für die vermicon AG in Hallbergmoos zusätzliche Synergieeffekte?
Wir erhoffen uns das natürlich. Je mehr Biotechnologieunternehmen sich im Munich Airport Business Park ansiedeln, desto größer sind die Synergieeffekte vor Ort. Jedes Unternehmen kauft heutzutage Leistungen von anderen Unternehmen ein. Und wenn diese dann auch noch in derselben Branche tätig sind, dann ist das nur von Vorteil. Aber auch die Begegnung vor Ort, der Austausch von Mitarbeitern der verschiedenen Unternehmen ist ein spannender Prozess und hat schon neue Ideen entstehen lassen. Hier sieht man wieder, dass wir den Austausch von Menschen dringend benötigen. Wenn jeder isoliert vor sich hinarbeitet, kann kein kreativer Raum entstehen, der Innovationen zu Tage fördert. Und wir benötigen Innovationen, wenn wir im Wettkampf mit amerikanischen Unternehmen bestehen wollen.
Hat sich insbesondere mit der pandemischen Lage für Sie etwas geändert? Spielen mikrobiologische Fragestellungen künftig eine größere Rolle?
Unbedingt. Die Pandemie hat den Menschen gezeigt, dass die Mikrobiologie einen gewaltigen Stellenwert in unserem Leben besitzt. Wir sollten davor zurückschrecken, nur das Negative in den Bakterien und Viren zu sehen. Die positiven Effekte überwiegen bei Weitem. Wir haben ungefähr 100 Billionen Bakterien in und auf unserem Körper. Das sind zehn Mal mehr Mikroorganismen als Körperzellen. Und dazu kommen noch 10.000 Billionen Viren, die uns zusammen mit den Mikroben zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Ohne die Bakterien und Viren hätte der Mensch nicht überlebt. Die aktuelle Grundtendenz überall eine möglichst hohe Sterilität zu erreichen finde ich völlig falsch. Wir sind auf den ständigen Austausch mit Mikroorganismen angewiesen. Diese bestimmen, ob wir gesund sind, welche emotionale Stimmung wir haben, oder ob wir im Alter dement werden. Wir müssen diese Zusammenhänge intensiver studieren. Da sind wir erst am Anfang.
Und wir sind damit am Ende. Wir danken Ihnen für die Aufklärung Dr. Snaidr!
Bildmaterial © Rock Capital Group, Foto Claus Uhlendorf