Auch am Munich Airport Business Park (MABP) sind digitale Lerntrends voll angekommen und Teil des Business-Alltags der Unternehmen. Welche Maßnahmen die Unternehmen genau umsetzen und welche Trends die Firmen anwenden, beantworten Marco Rodriguez, Geschäftsführer bei Adhesive Solutions, Dr. Andreas Pauls, Deutschlandgeschäftsführer der Itelligence AG und Marcel Spieß, Senior Manager Training Development & Academic Standards bei Lufthansa Aviation Training, die alle am MABP ansässig sind, im Interview.
In welchen Bereichen setzen Sie E-Learning bei Ihrem Unternehmen ein?
Dr. Andreas Pauls, Itelligence AG: „Wir bei Itelligence bieten SAP-Lösungen an und verfügen über eine eigene Akademie, um unsere Mitarbeiter zu schulen. Für rein fachliche Inhalte sind digitale Lernmethoden hierbei sicherlich geeignet, vor allem, wenn diese beispielsweise in einem Virtual Classroom moderiert werden. Bei Softskill- oder Persönlichkeitstrainings ist ein Klassentraining nicht zu ersetzen, da das Erleben der Situationen, insbesondere der Emotionen, auch in der Gruppe, wichtiger Bestandteil solcher Schulungen sind.“
Marco Rodriguez, Adhesive Solutions: „Auch wir bei Adhesive Solutions, einem Unternehmen aus dem Bereich der Klebstoffberatung, schulen unsere Mitarbeiter regelmäßig in einer eigenen Klebstoffakademie. Wir arbeiten dabei mit Simulations-Software, bei der wir die Übungen in einer 3D-Simulation abarbeiten können. Das ist für einen großen Teil der Teilnehmer eine gute Möglichkeit, das Gelernte zu üben.“
Marcel Spieß, Lufthansa Aviation Training: „Unser Grundkonzept ist es, verschiedene Trainings für Fluggesellschaften, Piloten und Kabinencrews anzubieten. Dabei schulen wir in unseren Virtual Reality-Hubs in München und Frankfurt tausende Flugbegleiter derzeit nach der Methodik des Vier-Phasen-Modells. Zunächst zeigen wir ihnen die Lernumgebung, lassen sie eintauchen. Sodann erklären wir ihnen innerhalb dieser virtuellen Welt Handhabung und Nutzung der virtuellen Aktions- und Interaktionsmöglichkeiten und erläutern die Aufgaben. In einem ersten Trainingsschritt können die Teilnehmenden sich selbst mit der Bewegung und Manipulation der virtuellen Instanzen vertraut machen, bevor sie dann ins eigentliche Üben und Trainieren übergehen.“
Wo liegen für Sie die Chancen und Grenzen des digitalen Lernens?
Dr. Andreas Pauls, Itelligence AG: „Digitales Lernen ist eine optimale Ergänzung zu herkömmlichen Lernmethoden. Gerade für kurze Veranstaltungen, die viel Input vermitteln, bietet sich dieser Rahmen an. Die Vorteile liegen auf der Hand: Lernen und Erfolge werden individueller sowie orts- und zeitunabhängig, da die Inhalte jederzeit 24/7 zugänglich sind. Zudem entfallen Reisekosten und Anreisezeiten. So genannte Social Effects wie Networking und Erfahrungsaustausch kommen allerdings bei diesen Formaten im Gegensatz zu den herkömmlichen Lernmethoden oft zu kurz. Wir kompensieren das und bieten ergänzend zu unseren E-Learnings Experten-Sessions sowie Virtual Classroom-Trainings an. Mit guten Ergebnissen – hier steigt die Nachfrage.“
Marco Rodriguez, Adhesive Solutions: „Teilnehmer haben immer weniger Zeit und wollen am liebsten mit sehr wenig Zeitaufwand ein riesiges Lernspektrum abgreifen. Das funktioniert natürlich nicht. Durch die weiter voranschreitende Digitalisierung können aber andere Wege gegangen werden. Es können Lehrinhalte von Zuhause oder aus dem Büro abgearbeitet werden. Was sich im ersten Moment einfach anhört, bringt aber ein großes Problem mit sich: Die Teilnehmer müssen eine sehr hohe Eigenmotivation mitbringen und in der Lage sein, komplexe Themen in Eigenregie durcharbeiten zu können.“
Marcel Spieß, Lufthansa Aviation Training: „Die Schlagwörter Nutzerzentrierung oder Kundenorientierung sind in diesem Kontext weit verbreitet. Lernende wollen nicht darüber nachdenken müssen, wie sie an einen benötigten Inhalt kommen oder gar nach ihm suchen. Die Entwicklung der Lernangebote muss strukturierter auf die Nutzerbedürfnisse ausgerichtet sein, diese in die Entwicklung sogar einbinden. Im Zuge dessen haben wir neue Lernformate in unser Training integriert. Zum Beispiel kommen Micro-Quizze und Szenario-basiertes Video-Learning vermehrt zum Einsatz. Es verhält sich mit dem E-Learning wie mit anderen Methoden und Technologien. Es kommt auf Dosis und Mischung an.“
Wo sehen Sie die Zukunft des digitalen Lernens?
Dr. Andreas Pauls, Itelligence AG: „Unsere Arbeit wird vernetzter, komplexer und abhängiger von Wissen und Informationen. So wird auch das Lernen immer digitaler. Der reine Wissensaufbau wird sich in den digitalen Rahmen verlagern. Dieser muss dabei immer individueller, modularer, praxisbezogener und bedarfsgerechter werden. Learning Journeys, am Wissenstand orientierte und aufeinander aufbauende Lerneinheiten, aber auch Gamification spielen hier eine wichtige Rolle.“
Marco Rodriguez, Adhesive Solutions: „Es nützt nichts, drei Tage theoretische Inhalte zu bearbeiten, wenn der Bezug zur Praxis fehlt. Wir haben deshalb verschiedene Anlagen bei uns, um unseren Kunden die Möglichkeit zu bieten, das eben Erlernte an echten Robotern mit echten Klebstoffen auszuprobieren. Genauso sind unsere gesamten Seminare aufgebaut – viele Übungen, bei denen sich die Theorie verfestigt. Wir arbeiten deswegen aktuell an Systemen, bei denen VR und AR integriert werden. Vor allem für den Simulationsbereich in der Robotic ist das ein zukunftsfähiges Format. Ich sehe für die Zukunft Seminare, die Sie Zuhause besuchen können, indem Sie Ihre VR- oder AR-Brille aufsetzen und in einen virtuellen Lehrraum eintauchen. Präsenzveranstaltungen sehe ich in unserem Feld aber noch immer als sehr wichtig an und kann mir nicht vorstellen, dass diese in naher Zukunft komplett wegfallen werden.“
Marcel Spieß, Lufthansa Aviation Training: „Wenn digitales und nicht-digitales Lernen stärker verschmelzen sollen, so sind selbstverständlich Trainingskonzepte neu zu erstellen. Dabei können auch Algorithmen helfen. Virtuelle Realität ist für uns ein alter Hut. Wir haben schon virtuelles Training angeboten, da wurde noch nicht von VR gesprochen. Dank unserer Full Flight-Simulatoren mit entsprechender Visual- und Motiontechnik für das Pilotentraining kannten wir uns also schon mit diesem Trend aus, auch wenn das heutige VR-Training sich durchaus davon unterscheidet.“
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